Politik

Ni Una Menos – Keine Mehr!

Ein Interview von Chitra Devi

Schon seit über 100 Jahren kämpfen Frauen am Weltfrauentag für ihre Rechte. Damals ging es um das Wahlrecht, heutzutage sind es Themen wie Geschlechter-Gerechtigkeit, das Recht über den eigenen Körper zu bestimmen und Freiheit. Weltfrauentag ist immer am 8. März.

In diesem Jahr startete die Demo um 14 Uhr am Hauptbahnhof und ging bis 17 Uhr. Als Thema stand „Ni Una Menos – Keine Mehr“ im Vordergrund. Es sind zahlreiche Demonstrant*innen erschienen. Ab dem Königsworther Platz demonstrierten auch die Cis-Männer (das sind Männer, deren Geschlechtsidentität dem bei der Geburt festgelegten Geschlecht entspricht) mit den Frauen und den Personen, die sich als Frauen identifizierten. Bei der Demo wurde zudem ein leerer Block für die Frauen eingerichtet, die dafür umgebracht wurden, dass sie ihre Rechte verteidigten. Wir haben Lisa vom Feministischen Rat Hannover, die diese Demo mit organisierte, über Zielsetzung und Motivation befragt.

Die Demo am 8. März 2020 in Hannover. Foto: Feministischer Rat Hannover

Hallo Lisa, was war deine persönliche Motivation, diese Demo mit zu organisieren?

Ich beschäftige mich schon länger mit verschiedenen feministischen Themen, beispielsweise der Frage, wie und warum wir eigentlich zu „Männern“ und „Frauen“ erzogen werden und wie das unser Leben beeinflusst. Ich finde es unglaublich, dass Frauen* und queere Menschen in so vielen Bereichen immer noch benachteiligt sind und/oder diskriminiert werden. Wir werden schlechter bezahlt, leisten mehr unbezahlte Arbeit, sind häufiger von Übergriffen und Gewalt betroffen… Der 8. März als internationaler Frauentag ist eine gute Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen und gemeinsam auf die Straße zu gehen.

Wie erfolgreich fandest du die Demo in diesem Jahr?

Ich fand unsere Demo sehr erfolgreich und habe viele positive Rückmeldungen dazu bekommen! Wir waren mehr als 1.000 Menschen, es wurde viel gerufen, gesungen und getanzt und tolle Schilder gebastelt. Wir vom Feministischen Rat Hannover, der diese Demo organisiert hat, haben im Vorfeld und auch während der Demo sehr viel Unterstützung bekommen. Zum Beispiel haben viele Leute uns dabei geholfen, Transpis zu malen oder auch bei der Abschlussaktion mitgemacht.

Kannst du deine Meinung zum Polizeiverhalten schildern?

Ich fand das Verhalten der Polizei unverhältnismäßig. Ich glaube, dass anfangs mit Absicht nur männliche Polizisten anwesend waren, obwohl der erste Teil der Demo nur FLINTA (Frauen, Lesben, inter-, nicht-binäre, trans- sowie agender*)-Personen vorbehalten war. Es gibt genug Polizistinnen, die man einsetzen hätte können.

Die Demo am 8. März 2020 in Hannover. Foto: Feministischer Rat Hannover

Wie seit ihr zum Thema »Keine Mehr“ gekommen?

Keine Mehr ist die Übersetzung von Ni una Menos. Die Ni Una Menos-Proteste sind große feministische Bewegungen dieser Zeit. Sie haben ihren Ursprung in Argentinien und haben sich von dort aus über Lateinamerika und die ganze Welt verbreitet. Ni Una Menos – Keine mehr damit ist gemeint, dass immer noch weltweit täglich, teilweise stündlich Frauen aufgrund ihres Geschlechts umgebracht werden. Diese Morde werden Femizide/Feminizide genannt. Auch in Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Wir fanden es daher sehr wichtig, dieses Thema auch auf unserer Demo präsent zu machen und zu zeigen, dass wir diese internationalen Bewegungen unterstützen.

Wie kamt ihr auf die Idee, den „Keine-Mehr-Platz“ einzurichten?

Die Ni Una Menos-Bewegungen machen weltweit mit ganz unterschiedlichen Aktionen auf sich aufmerksam. Von Demonstrationen mit teilweise Millionen von Menschen wie in Mexiko über feministische Massenstreiks wie in Argentinien oder der Choreografie „Ein Vergewaltiger auf deinem Weg“ aus Chile, die viral ging und jetzt weltweit aufgeführt wird. Eine weitere Aktionsform ist das Umbenennen von Plätzen, an denen dann regelmäßige Aktionen rund um das Thema Femizide und Gewalt an Frauen stattfinden. Das wurde beispielsweise schon in Zürich gemacht. Daher kamen auch wir auf die Idee, die Goseriede in „Ni Una Menos“-Platz umzubenennen und wollen diesen Platz jetzt auch für weitere Aktionen nutzen.

Die Demo am 8. März 2020 in Hannover. Foto: Feministischer Rat Hannover

Erste Erfolge gibt es ja schon: Keine Luxussteuer mehr auf Hygieneprodukte, Gleichberechtigung, Prostitution wird mittlerweile als Beruf angesehen… Wie siehst du das?

Das sind sehr unterschiedliche Themen, zu denen ich besser einzeln etwas sage. Die Steuer auf sogenannte Hygieneartikel, wie Tampons oder Monatsbinden, wurde dieses Jahr von 19 Prozent auf sieben Prozent gesenkt. Das bedeutet für Menschen, die diese Produkte brauchen, eine große Ersparnis. Was wichtig ist zu wissen und zu verstehen, und auch die Überleitung darstellt zum Thema Gleichberechtigung allgemein, ist, dass diese Gesetzesänderung nicht deswegen zustande gekommen ist, weil es politisch ein Umdenken gegeben hätte. Dieses Gesetz wurde geändert, weil Menschen gegen diese Ungerechtigkeit protestiert haben und Petitionen mit mehr als 100.000 Unterschriften an den Bundestag eingereicht wurden. Ich denke, dass es noch viele Themen gibt, bei denen Frauen und queere Menschen benachteiligt werden, und das wird sich nur ändern, wenn wir laut werden, wenn wir Druck machen, wenn wir uns das nicht mehr gefallen lassen, so dass sich die Gesellschaft verändern und die Politik reagieren muss. Prostitution bzw. Sexarbeit ist ein sehr umstrittenes Thema, auch unter Feminist*innen, und bei weitem nicht als „normaler Beruf“ anerkannt. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass einerseits anerkannt werden muss, dass es Frauen* gibt, die diesen Beruf ausüben möchten. Diese Sexarbeiter*innen müssen unterstützt und geschützt werden. Andererseits gibt es Personen, die zur Prostitution gezwungen werden. Das muss aufgedeckt und verhindert werden. Die rechtliche Grundlage in Deutschland, wie das sog. „Prostitutionsschutzgesetz“ von 2017, leistet das leider nicht, sondern diskriminiert und schikaniert Personen, die in diesem Gewerbe tätig sind.

Gibt es Unterschiede in der Art und Weise, wie Jugendliche und ältere Menschen auf das Thema Feminismus reagieren?

Es gibt viele ältere Menschen, die sich schon seit Jahren und Jahrzehnten feministisch engagieren. Ich habe von einigen gehört, dass sie es toll fanden, dass bei unserer Demo am 8. März so viele junge Leute auf der Straße waren. Ich denke, wir können viel voneinander lernen und es ist wichtig, den Austausch unter den Generationen zu suchen. Ich glaube, dass unter Jugendlichen das Bewusstsein für Ungleichheiten wächst und auch die Bereitschaft, etwas dagegen zu unternehmen. Das macht sich beispielsweise in der Fridays for Future-Bewegung bemerkbar. Ich finde das klasse und hoffe, dass sich auch immer mehr Jugendliche gegen Rassismus, Sexismus und soziale Ungerechtigkeiten engagieren. Wir als Feministischer Rat würden uns sehr freuen, wenn sich auch Schüler*innen bei uns einbringen würden!

https://www.facebook.com/FeministischerRatHannover/

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