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Migrationsvordergrund

Dernière von Hartmut El Kurdis „Home.Run“ in der Cumberlandschen

Die Frage, ob Hartmut El Kurdi seine Rolle im Ein-Mann-Stück Home.Run authentisch umgesetzt hat, ist im Grunde überflüssig. Da El Kurdi sich selbst spielt, ist es sogar fast undenkbar, das Monodrama mit jemand anderem als ihm auf die Bühne zu bringen.

Das mag jetzt alles etwas verwirrend klingen, ergibt aber Sinn auf den zweiten Blick. El Kurdi ist eigentlich hauptberuflich Schriftsteller, inszeniert aber seit der Spielzeit 2015/2016 am Schauspielhaus Hannover. In Home.Run begibt er sich auf die Suche nach seinen jordanischen und auch deutschen Wurzeln. Dabei wird mit Musik, „Orientalische Wohlfühl-Musik für Europäer“, wie El Kurdi mit einem Augenzwinkern sagt, die Stimmung untermalt und zwischendurch auch mal Baklava an das Publikum verteilt. Da El Kurdi aus erster Hand aus seiner Lebens- und Familiengeschichte erzählt, wirkt das Stück mehr wie eine auswendige Lesung aus einer Autobiographie, plus Diashows, Musik und Witze. Diese kommen so unvorbereitet, dass die Aufführung gleichzeitig etwas improvisiert wirkt.

Obwohl man viel über El Kurdis Familie erfährt, besteht Home.Run aus mehr als nur Ahnenforschung. Der Nazi- Vergangenheit seiner Familie mütterlicherseits steht eine jordanisch-kaukasisch-tscherkessische Großfamilie gegenüber, deren Mitglieder heute über den gesamten Erdball verstreut sind. Er deckt auch auf, wo ihm in seinem Leben unterschwelliger (manchmal auch recht offener) Rassismus begegnet ist, dies wirkt jedoch nie erzwungen und zerstört auch nicht die gute Stimmung, die im Publikum während des gesamten Stückes vorherrscht.

Hartmut El Kurdi kann gar kein arabisch, lernte für die Produktion aber einen Satz auswendig

In Home.Run zeigt El Kurdi auf viele verschiedene Weisen, wie es ist, irgendwo fremd zu sein. Sein erster Name sei zum Beispiel gar nicht Hartmut, sondern Samir, aber bereits im Kindergarten habe er sich lieber Hartmut rufen lassen, weil die anderen Kinder ebenfalls deutsche Namen hatten und Samir nicht aussprechen konnten. Beim Zeigen von Familienfotos in Jordanien sticht seine blonde Mutter aus den dunkelhaarigen Verwandten seines Vaters heraus, dazu läuft der Song „One Of These Things Is Not Like The Other“ aus der Sesamstraße.

Beim Sprechen über die verschiedenen Familien und Länder, in denen sich seine Verwandten befinden, geht El Kurdi zwischen vier runden Kunstgras-Teppichen hin und her, die mit Linien verbunden sind, genauso wie seine Familie über viele Ländergrenzen hinweg verbunden und vernetzt ist. Der Rest des Bühnenbildes besteht aus tollen 70er-Jahre-Campingmöbeln mit Blumenmustern, die aus einer Zeit stammen, als man sich über Integration, political correctness und Alltagsrassismus noch nicht viel Gedanken machte.

Eine wichtige Frage, die Home.Run aufwirft, ist, ob man sich einer Nation, einer Heimat oder einer Minderheit wirklich zugehörig fühlen kann, wie es ja allgemein angenommen wird. El Kurdi sagt, er habe die Frage, ob er sich mehr wie ein Deutscher oder wie ein Jordanier fühle, nie beantworten können. Und als am Ende des Stücks ein Videoausschnitt eines Jungen, der zu El Kurdis Familie gehört, gefragt wird: „do you feel more jordanian or more british?“ antwortet er „danish?“ mit einem klaren Fragezeichen am Ende des Wortes, weil er sich nicht sicher ist, ob die Frage richtig beantwortet ist. Weil es auf diese Frage kein Richtig oder Falsch gibt.

Die Dernière von „Home-Run“ lief am 25.5.2019 um 20:00

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